Der Weg zu den Resultaten – Eyetracking, Teil 1
An anderer Stelle sagen wir: Alles was nicht messbar ist, sei Deko. Zum Glück können wir viele Dinge messen. Alles was wir schon untersucht, gemessen und mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse in vertriebsfördernde Resultate verwandelt haben, das können wir als begründete Designentscheidungen sofort umsetzen. Eine Schlüsselmethode dabei ist das Eyetracking.
Usability-Studien kommen in verschiedenen Formen und Farben daher. Manche kommen zum Einsatz, wenn es darum geht die zukünftigen Anforderungen an einen digitalen Dienst zu ermitteln. Andere dann, wenn man die tatsächliche Effektivität bereits existierender Lösungen analysieren will. Das können Websites, Programme oder andere digitale Produkte sein. Für diesen Fall ist Eyetracking die richtige Methode.
Wie funktioniert Eyetracking?
Eyetracking registriert die Augenbewegungen während der Interaktion mit einem (digitalen) Produkt. Es wird oft eingesetzt, wenn die Wahrnehmung von Websites, Apps oder anderen Systemen gemessen werden soll. Nahezu unverzichtbar ist es beim Testen von Videospielen oder den Bedienoberflächen von Terminals für Ticket-Systeme, um einige Beispiele zu nennen.
Drei Elemente sind bei einem solchen Testaufbau offensichtlich unverzichtbar:
- Die Hardware
- Ein Testobjekt (wie ein Dienst, eine App, ein System)
- Testteilnehmer
Es gibt eine Reihe von Testgeräten auf dem Markt, in den meisten Fällen arbeiten sie jedoch nach demselben Prinzip: Infrarot-Sender und -Sensoren messen die Augenaktivität und zeichnen sie auf. Auch wichtig: Es gibt diese Geräte in stationärer und mobiler Ausführung.
Eyetracking-Systeme erlauben die Präsentation auf einem Computer-Bildschirm, der genau vor dem Probanden aufgestellt ist. In einigen Fällen sind die Sensoren schon im Gehäuse verbaut, was den Testaufbau sozusagen minimal-invasive macht. Alles was auf dem Bildschirm zu sehen ist, löst Augenbewegungen aus, die dann aufgezeichnet werden können – das können sowohl statische Inhalte sein, wie auf einer Website, aber auch bewegte, wie in einem Film.
Die zweite Sorte sind mobile Eyetracker. Sie erlauben es den Probanden, sich frei im Raum zu bewegen, weil die Sensoren in ein Brillengestell eingebaut sind. Diese Geräte machen es möglich, sie im natürlichen Umfeld des Untersuchungsobjekts einzusetzen, zum Beispiel in einer Fabrik oder in der U-Bahn. Diese Art von Eyetracker kommt außerdem oft in der Marktforschung zum Einsatz, wenn es zum Beispiel gilt, die Regalplatzierung von Produkten im Supermarkt zu optimieren.
Vorher und nachher – die zwei wichtigsten Einsatzszenarien
Es gibt genau zwei Standardszenarien für eine Eyetracking-Studie. Wenn das Redesign eines Dienstes ansteht, also einer Website, einer App, etc., dann ist es sinnvoll, mit dieser Methodik die Schwachpunkte des aktuellen Auftritts festzustellen und zu dokumentieren. Das zweite Szenario folgt entsprechend später, wenn eine vorfinale Fassung bereitsteht, um zu sehen, ob das Konzept aufgeht.
Dabei ist die Qualität des Untersuchungsmaterials wichtig, weil genau diese Details in einer Eyetracking-Untersuchung gemessen werden: Das Layout der einzelnen Elemente, ihr Kontext, ihre Größe und ihre Farbe. Das heißt, dass wir keine aussagekräftigen Ergebnisse von der Untersuchung eines Prototyps oder eines Wireframes erwarten können. Leere Boxen mit der Aufschrift „Platzhalter“, „Lorem ipsum“ oder „Inhalt folgt“ lösen zwar Augenbewegungen und sogenannte Fixationen aus, aber eben nicht diejenigen, die wir mit einem ernstgemeinten Entwurf messen würden.
Und noch ein Punkt ist beachtenswert: Schon der Rekrutierungsprozess von Probanden für eine Eyetracking-Studie ist wichtig für ihren Ausgang. Viele Geräte auf dem Markt bringen Einschränkungen mit sich, die den Einsatz bei Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen ausschließen. Es lohnt sich, diesen Umstand im Hinterkopf zu behalten, wenn es um die Untersuchung von Angeboten zum Beispiel für eine ältere Zielgruppe geht.
Das Augenmaß – diese Erkenntnisse liefert uns eine Eyetracking-Studie
Eyetracking-Studien zeigen also wie ein Nutzer ein digitales Produkt oder ein analoges Objekt betrachtet, das heißt, welche Elemente den Blick anziehen, welche übersprungen werden, mit welcher Intensität verschiedene Bereiche einer Website wahrgenommen werden – und in welcher Reihenfolge all dies geschieht. Die Antworten darauf sind in unterschiedlicher visueller Form aufbereitet.
Eine sogenannte Fixation – ein fixierter Blick – erscheint dann als farbiger Kreis, wobei der Kreisdurchmesser mit der Betrachtungsdauer wächst. Überlappende Kreise signalisieren, dass ein Element wiederholt betrachtet wurde.
Die Linien, die die einzelnen Kreise verbinden sind sogenannte Sakkaden. Sie zeigen den Pfad blitzschneller Augenbewegungen von einem Punkt der Aufmerksamkeit zum nächsten Punkt der Fixation. Während dieser Sprünge ist das Auge mehr oder weniger blind. Elemente auf dem Pfad dieser Sakkaden werden nicht bewusst registriert. Wenn wir bei der Auswertung den Pfaden folgen, die bei einem Objekt nur überflogen oder gescannt wurden, wissen wir auch, was der Proband nicht sieht oder erkennt.
Wenn wir die Bilder eines jeden einzelnen Tests übereinanderlegen, dann entsteht eine Heatmap, die deutlich herausstellt, welche Hauptbereiche die Blicke der Nutzer anziehen. Eine rote Fläche zeigt einen Bereich mit buchstäblich hohem Augenmerk an. Das gleiche Resultat kann auch in Form einer Focus-Map aufbereitet werden – dort werden dieselben Bereiche als hell erleuchtet dargestellt.
Universelle Erkenntnisse
Besonders interessant für den Design-Prozess ist es, wenn mehrere Eyetracking-Studien einander bestätigen und dadurch universelle Erkenntnisse nutzbar werden. Sie bilden die Grundlage für ein Design, das nicht geschmacksorientiert, sondern evidenzbasiert arbeiten kann. Inzwischen liegen Daten für fast jeden Anwendungsfall und Kontext vor. Evidenz liegt inzwischen auch ausreichend vor für mehr oder weniger bekannte Ahnungs- oder Erfahrungsfälle. Dazu gehören die folgenden:
- Im westlichen Kulturumfeld ist die generelle Leserichtung von links nach rechts. Das ist gewiss, alles andere weniger. Menschen lesen unterschiedlich, je nach Absicht und Kontext. Gegen diese Unterschiede helfen allerdings strukturelle Anker wie eine klare visuelle Textstruktur, die Sakkaden minimiert.
- Menschliche Gesichter, besonders Augen und Mund ziehen Blicke magnetisch an. Das mag ein Vorteil sein, wenn ein Produkt zum Beispiel von Promis angepriesen wird. Im Falle einer Website können Gesichter die Aufmerksamkeit auf wichtige Bereiche stärken – oder durch die falsche Platzierung genau davon ablenken. Die Platzierung solcher Fotos muss also wohlüberlegt sein.
- Die numerische Schreibung von Zahlen (also „123“ anstatt „hundertdreiundzwanzig“ ist oft der auffallendste Teil eines Textes.
- Call-to-action-Elemente werden schneller wahrgenommen, wenn sie in einem augenfälligen klickbaren Button-Format erscheinen, statt nur als Textelement.
Die Rolle des Eyetrackings im Testarsenal
Eyetracking-Daten sind eine wertvolle Ergänzung der Ergebnisse aus anderen Testverfahren, wie zum Beispiel Usability-Tests. Usability-Tests sind eine häufig angewandte Methode, um digitale Produkte zu untersuchen. Dabei werden Probanden dabei beobachtet, wie sie bestimmte Aufgaben (Produkt X auf der Website finden und bestellen) lösen.
Diese Art von Tests hilft zwar dabei, zu bestimmen, wie sinnvoll spezielle Funktionen eingesetzt sind und auch dabei, allerlei Meinungen über eine Website einzuholen, aber es verrät uns nichts darüber, wie und ob einzelne Elemente auf einer Website überhaupt wahrgenommen werden. Mit Hilfe von Eyetracking ist es jedoch möglich, zuverlässig zu bestimmen, wie ein Nutzer visuell auf ein Angebot reagiert.
Ohne Eyetracking-Daten können wir nicht eindeutig bestimmen beispielsweise nicht auf ein bestimmtes Element geklickt hat. War er einfach nicht interessiert, oder ist es ihm gar nicht aufgefallen? Eyetracking wird auch oft für sogenannte 5-Sekunden-Tests eingesetzt. Sie erlauben uns zu analysieren, welche Informationen und Elemente ein Besucher während des ersten Kontakts mit einer Website überhaupt wahrnimmt.
Eyetracking kann alleinstehend eingesetzt werden oder Teil einer umfangreicheren Studie sein, je nach Ziel. Einfach ausgedrückt: Wenn unsere Kernfrage lautet: „Fällt den Nutzern dieses Element überhaupt auf?“, dann lässt sich diese Frage klar per Eyetracking beantworten. Wollen wir andererseits über die generelle Wahrnehmung der Seite erfahren, warum und wie die Nutzer unser Angebot überhaupt nutzen, dann ist ein komplexeres Usability-Test-Szenario mit ausführlichen Interviews und Eyetracking der effektivere Weg.